EU: Reformverträge und Verfassung

Nachdem die Iren den Vertrag von Lissabon abgelehnt haben, sieht sich die EU in einer Krise und versucht den Vertrag, in den die Regierungen viel Arbeit gesteckt haben, doch noch zu retten. Die Idee vom „Europa der zwei Geschwindigkeiten“, das Abweichler ignoriert, scheint mittlerweile fallen gelassen worden zu sein und doch wird trotz aller Versprechen, das irische Votum zu respektieren, an der Idee das Vertragswerk durchzusetzen festgehalten.

Ich sehe das Problem – wie der Europäische Rat – weniger in irgendeinem Vertragswerk, das zur Abstimmung stand. Es geht viel mehr darum, dass die EU und somit sämtliche damit verbundenen Verträge – eben auch die gescheiterte EU-Verfassung – in der Bevölkerung wenig akzeptiert sind. Die Schuld dafür möchte ich in der Arbeitsweise der EU suchen, die – zumindest in den Augen der Bevölkerung und auch in meinen als Teil davon – Entscheidungen über unsere Köpfe hinaus fällt. Wir haben unser Parlament gewählt, es besitzt die Legitimation für uns zu entscheiden, auch wenn wir natürlich nicht immer damit zufrieden sind. Immerhin hatten wir die Wahl und eine Mehrheit der Bevölkerung, die sich daran halten muss, scheint diese Menschen als Entscheidungsträger haben zu wollen.

In der EU hingegen entscheiden die Regierungen der Mitgliederstaaten über die Köpfe der Parlamente und damit über unsere gewählten Vertreter hinweg. Und nicht nur unsere Regierung, auf deren Bildung wir Einfluss hatten, auch Regierungen anderer Staaten bestimmen über unsere gewählten Vertreter und beschließen Richtlinien und fällen Beschlüsse, die nun ohne Einfluss einer gewählten Legislative umgesetzt werden müssen. Ein Durchdrücken der Lissaboner Vertrages – auch wenn er den Grad an Demokratie erhöhen würde – verstärkt diesen Eindruck nur und wird zu immer mehr Verdrossenheit und somit zu Stillstand innerhalb der Union führen.

Als Europäer, und als solchen sehe ich mich zuweilen, habe ich aber ein Interesse an einer starken EU, die unseren Kontinent in globalen Fragen vertritt. Ich wünsche mir Kooperation der Staaten und einheitliche Standards, freie Wahl des Wohnortes auf dem ganzen Kontinent, gute Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Kriminalität und rege Handelsbeziehungen zu den Nachbarn. Ich wünsche mir eine demokratischere EU, möchte Reformen, um die Handlungsfähigkeit zu erhöhen. Nur wie soll all dies möglich sein?

Ein Antwort darauf wäre ein umfassendes Vertragswerk, das veraltete Strukturen wie generelle Gebundenheit an Einstimmigkeit abschafft – Einstimmigkeit ist bei immer mehr Mitgleidern kaum noch zu erreichen – und gleichzeitig neue Wege aufzeigt. Dieses Werk müsste den Rückhalt der Bevölkerung genießen ähnlich wie die Deutschen ihr Grundgesetz akzeptieren und teilweise sogar bejubeln. Sollte das Utopie sein, nicht zu schaffen? Ich glaube nicht. Eine demokratische Verfassung, über die in jedem Land durch das Volk abgestimmt wird, würde diesen Rückhalt haben. Warum die Menschen ihr zustimmen sollten? Weil sie gut ist, den Menschen etwas bringt. Weil sie die Grundrechte der Menschen schützt, ihre Souveränität bewahrt und trotzdem ein vereintes Europa ermöglicht. Doch wie soll all dieses möglcih sein? Wer soll ein solches Vertragswerk ausarbeiten in einem Europa, in dem die Regierungen Gesetze beschließen und die Meinung des Volkes angekündigterweise ignorieren?

Das Volk. Eine Verfassung verfasst durch das Volk für das Volk. Das wäre ein Verfassung im eigentlichen Sinne und etwas, auf das Europa stolz sein dürfte. Daher suche ich Unterstützung für ein EU-Verfassungswiki. Eine Plattform, auf der wir unsere eigene Verfassung für die EU ausarbeiten. Selbst wenn sie nur als Grundlage oder Inspiration für folgende Verträge dient, bleibt sie ein Weg unser Europa selbst zu gestalten. Lasst uns eine Verfassung ausarbeiten und darüber abstimmen. Vom Volk für das Volk. Ein deutlicheres Zeichen für Europa kann es nicht geben, so werden wir die EU aufwecken und zeigen, wohin die Zukunft gehen soll.

Mindestlohn

Mindestlohn ist ein gesetzlich verordneter Minimallohn, der bei einem Beschäftigungsverhältnis mindestens bezahlt werden muss. Das Ziel dahinter, dass jeder von dem Geld, das er verdient, leben können und meiner Betrachtung nach auch am Markt mitbestimmen soll, ist wohl für jeden einsichtig und nachvollziehbar. Ob das Mittel, einen gesetzlichen Mindestlohn festzulegen aber sinnvoll gewählt ist, sogar ob er überhaupt diesen Zweck erfüllt, ist sehr umstritten.

Die Befürworter gehen davon aus, dass durch diese Maßnahme jeder, der unterhalb des Existenzminimums verdient, per Verordnung mehr Geld bekommt und künftig von seinem Geld leben kann. Mindestlohn gibt es in sehr vielen europäischen Staaten, werden Bedenken zerstreut. Doch es gibt auch Gründe, die gegen diese Vorstellung sprechen:

  • Für mehr Geld würden viele Menschen überhaupt gar nicht eingestellt. Wenn etwas teurer ist, leistet man sich weniger davon.
  • Wenn viele Menschen plötzlich mehr Geld verdienen, müssen ihre Arbeitgeber die Preise erhöhen, um sie zu bezahlen. Durch die größere Kaufkraft passiert das mittelfristig auch bei nicht durch den Mindestlohn betroffenen Betrieben. Die Folge ist eine verstärkte Inflation, an deren Ende das Minimalgehalt wieder unterhalb des Existenzminimums liegt. Mindestlohn wäre also wirkungslos und würde bei nicht erfolgender Lohnerhöhung bei anderen Arbeitnehmern mittelbar den Lebensstandard der Normalverdiener gefährden.

Die Praxis in anderen Staaten spricht auch nicht gegen diese Punkte, denn hier betrifft dieser im Gegensatz zum deutschen kaum jemanden. Somit lässt sich Mindestlohn als Kurzschluss sehen, der bei näherer Analyse kaum einen oder gar negative Effekte hätte.