In diesem Eintrag werde ich die prinzipiellen Probleme des Arbeitsmarktes analysieren, derer man sich selbstredend im Klaren sein sollte, wenn man versucht die Probleme des Arbeitsmarkes zu lösen. Dazu werde ich auf das Marktmodell nach Alfred Marshall und Léon Walras zurückgreifen, das ich nun zunächst erläutere.
In jedem Markt besteht ein Zusammenspiel aus Angebot und Nachfrage. Beide lassen sich verstehen als Zusammenhang, bei welchem Preis welche Menge Waren angeboten und nachgefragt wird. Als Waren werden hier sowohl Güter als auch Dienstleistungen betrachtet. Dabei nimmt man an, dass der Preis für mehr nachgefragte Waren sinken und für mehr angebotene Waren steigen muss. Dieser Zusammenhang ist auch nahe liegend: Kostet das neue Automobil weniger, werden wir eher geneigt sein, es zu kaufen; kostet es mehr, werden mehr Einheiten hergestellt werden, da die Produktion lohnender wird. Beide Überlegungen gelten natürlich auch umgekehrt.
Verändert sich Angebot oder Nachfrage, wird dieses im Graphen durch Verschieben der zugehörigen Kurve dargestellt. Der Punkt, an dem sich die Geraden schneiden, gibt letztlich die am Markt umgesetzte Menge und ihren Stückpreis an. Eine gute und tiefer gehende Erklärung zu Modell und Diagramm gibt es auf Wikipedia. Für meine Zwecke sollte diese kürzere Erklärung aber reichen. Dieses sehr idealisierte Verhalten tritt natürlich bei kaum einer Ware auf und auch die Voraussetzungen wie Polypole auf Angebots- und Nachfrageseite sind nicht immer gegeben. Doch diese Probleme des Modells sind nicht grundlegender Natur und das ideale Verhalten bleibt tendenziell in guter Näherung bestehen.
Auf dem Arbeitsmarkt hingegen ist Gegenteiliges der Fall: Die Zahl der Arbeitskräfte kann sich gar nicht nach ihrem Preis richten, liegt sie doch mit der Zahl der arbeitsfähigen Menschen von vornherein fest. Die Zahl der angebotenen Arbeitskräfte ist unabhängig vom Preis, den ihr Ausüben wert ist. Ist ihre Zahl größer als die Zahl der Menschen, die angemessen entlohnt würde, führt das unweigerlich zu geringeren Löhnen oder Arbeitslosigkeit. Schlimmer noch: Nehmen wir an, die Arbeitgeber wüssten von diesem Umstand; sie könnten beliebig tiefe Gehälter anbieten, es würde sich doch jemand finden, der dafür arbeitet. Weil es es nicht möglich ist die Zahl der angebotenen Arbeitskräfte zu reduzieren, ist ihr Preis beliebig.
Beispiele für das Überangebot von Arbeitskraft findet man in praktisch jeder Wirtschaftskrise. Auf der anderen Seite tritt das Problem auch auf, wenn zu viele Arbeitskräfte gebraucht werden. Ein Beleg für diese Situation ist die Zeit des Wirtschaftswunders, in der zusätzliche Arbeitskräfte ins Land geholt werden mussten.
Noch gravierender wird das Bild, wenn man bedenkt, dass heute (zum Glück) nicht Arbeitskräfte sondern Arbeitskraft gehandelt wird: Ein jeder Mensch, der nur arbeitet, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, wird so wenig arbeiten wollen, wie es geht. Steigt sein Stundenlohn, also der Preis, den er für seine Arbeitskraft erzielt, wird er weniger arbeiten. Er wird ja trotzdem genug Geld für seinen Lebensunterhalt erhalten. Sinkt sein Stundenlohn, ist er dagegen gezwungen, mehr zu arbeiten. Es ergibt sich also eine Situation, in der bei steigender Nachfrage eine geringere Menge Arbeitskraft, bei fallender Nachfrage dagegen eine höhere Menge umgesetzt wird. Beide Effekte verstärken sich zudem, wodurch Knappheit weitere Knappheit und Überfluss weiteren Überfluss erzeugt.
Der Markt ohne jegliche Eingriffe ist also – wie man nun kaum noch abstreiten dürfte – kein adäquates Mittel, den Preis der Ware Arbeitskraft, den Stundenlohn, festzulegen.