Spätestens seit der Verbreitung von Facebook überschwemmen Browsergames das Web. Und während man früher gelegentlich im richtigen Moment auf einen Link klicken musste, um dann in einer HTML-Tabelle Erfolg oder Misserfolg vorgerechnet zu bekommen, werden heute zumeist 2D-Echtzeit-Spiele in Flash oder anderer „moderner“ (oder zumindest leistungshungriger) Webtechnik umgesetzt. Die technisch ältere Generation hat kaum noch Mitspieler, ein wirtschaftlicher Betrieb lohnt kaum noch.
Und damit sind wir bei dem Dilemma, dass uns bei (Ex-) Offline-Spielen mit DRM-Fußfessel noch bevorsteht. Die Programme verschwinden nicht nur vom Markt, sondern werden komplett aus der Geschichte getilgt. Da es für den Spieler daheim keine Möglichkeit zur Archivierung gibt, man nicht einfach nach Jahren wieder seine alten CDs raus kramen kann, bedeutet das Ende des Supports auch das Ende der Existenz des Spiels an sich.
Mit eben diesem Problem sahen sich die noch verbliebenen Nutzer von Piratenkriege konfrontiert. Das Spiel wurde von Betreiber zu Betreiber weitergereicht und stand kurz vor der Abschaltung. Da man aber nach jahrelangen gemeinsamen Matches viele Freunde gefunden hat und einem viel an diesem verbindenden Element liegt, war das Ende keine Option. So gab sich Benjamin Hinz einen Ruck und kaufte den Code ein letztes Mal – um mit der Community einen Browsergame-Verein zu gründen, der das Spiel (nun nicht mehr gewinnorientiert) betreiben und weiterentwickeln soll.
Damit wagt die Gemeinschaft einen komplett neuen Ansatz. Kleine Gruppen, die ihr eigenes (oftmals leider nicht all zu gut funktionierendes) Browsergame entwickeln, gibt es zwar, doch diese organisieren sich kaum. Zudem hat Piratenkriege in seiner Hochzeit schon bewiesen, dass die Spielmechanik funktioniert.
Was genau macht dieser Verein nun? Einen Browsergame-Zombie am Leben zu halten, lohnt doch den Aufwand nicht[1]. Und eben hier wird es spannend. Es besteht die Möglichkeit, das Spiel abseits des Kommerzes in eine neue Richtung zu entwickeln. Die kommerzielle Konkurrenz muss sich streng an ein Geschäftsmodell halten – genau das hat Piratenkriege nun hinter sich. Momentan gibt es zur Finanzierung zwar noch Premium-Accounts gegen Geld, doch die Mitglieder werden bereits in die Weiterentwicklung einbezogen, wirken aktiv mit und haben nicht nur beratende Funktion. Auf diese Weise wird auch eine von den Mainstream-Spielen nicht erschlossenes Publikum angesprochen: Der technisch begeisterte Nutzer. Finanziell würde sich die Beachtung dieser Zielgruppe wohl kaum lohnen, aber darüber ist man nun ja hinaus. Und seien wir mal ehrlich: Wer sonst würde sich schon für Webanwendungen interessieren, deren Aussehen und Funktionsweise man nur mit einer gewissen Technikaffinität als „Retrocharme“ durchgehen lassen kann?
Ein dazu passender Ansatz ist auch die Kombination des Spielbetriebs mit einem Bildungsauftrag. Als ersten Schritt hat sich Benjamin schon als Referent auf der Langen Nacht der Spielkultur versucht – und über technische Hintergründe des Spielbetriebs aufgeklärt. Auch auf den Treffen des Vereins sollen in Zukunft Workshops und Kurse zu Themen der Webanwendungsentwicklung angeboten werden. Die mit dem Spiel beschäftigten Personen entwickeln in diesem Bereich ja eine gewisse Erfahrung, die sie auch weitergeben können. Zum anderen werden auf diese Weise auch bisher weniger erfahrene Spieler befähigt, wirklich an Entwicklung und Betrieb mitzuwirken. Diese Gelegenheit ist bisher selten und führt hoffentlich dazu, dass sich weitere Personen in den noch jungen Verein einbringen.
- [1]Das wäre selbst bei den aktuellen Spielerzahlen noch für ein paar Euro pro Nase bezahlbar.↩