Im Bericht der NWZ zum Nahwärmenetz für „Grote Placken“ (Paywall) gib es zwei Details, die mich stutzig gemacht haben. Erstens heißt es dort, die künftigen Bewohner*innen wären verpflichtet, die Wärme über dieses Netz abzunehmen. Zweitens sei von einem Konzept abgerückt worden, das ich persönlich für durchaus zukunftsfähig gehalten hätte. Aus diesem Grund habe ich meine Gedanken sortiert und will sie hier transparent darlegen.
(Anmerkung: Ich bin kein Jurist. Mit den rechtlichen Rahmenbedingungen bin ich etwas vertraut, weil ich mich beruflich von wissenschaftlicher Seite mit der Wärmewende im Nordwesen befasse.)
Ist ein Anschlusszwang umsetzbar?
Im Niedersächsischen Landesrecht steht (§ 13 NKomVG), dass „Kommunen können im eigenen Wirkungskreis durch Satzung für die Grundstücke ihres Gebiets den Anschluss (…) die Fernwärmeversorgung (…) anordnen (…), wenn sie ein dringendes öffentliches Bedürfnis dafür feststellen“. Anschluss an ein Fernwärmenetz galt nach § 16 EEWärmeG als Klimaschutz. Er besagt, „Gemeinden und Gemeindeverbände können von einer Bestimmung nach Landesrecht, die sie zur Begründung eines Anschluss- und Benutzungszwangs an ein Netz der öffentlichen Fernwärme- oder Fernkälteversorgung ermächtigt, auch zum Zwecke des Klima- und Ressourcenschutzes Gebrauch machen.“ Ich gehe davon aus, dass die Gemeinde auf der Basis dieser Gesetzeslage geplant hat.
Allerdings gilt das EEWärmeG nicht mehr, sondern wurde 2020 mit dem Energieeinspargesetz (EnEG) und der Energieeinsparverordnung (EnEV) zum GebäudeEnergieGesetz (GEG) zusammengefasst. Im GEG gibt es (Stand Februar 2023) keine entsprechende Ermächtigung mehr, nach der Fernwärme dem Klimaschutz grundsätzlich zuträglich sei. Aufgrund strengerer Vorgaben an die individuelle Versorgung wäre das wohl auch inhaltlich nicht mehr zu halten. Dementsprechend müsste nach AVBFernwärmeV (§ 3) eine Kündigung des Wärmenetzanschlusses mit zweimonatiger Frist möglich sein, sofern „erneuerbare Energien eingesetzt werden sollen“.
Ob und mit wie viel Aufwand es möglich sein wird, sich aus einem Anschluss heraus zu klagen, hängt aber stark von den dann gültigen Gesetzen ab.
Welche Möglichkeiten gibt es?
Um sich vom Wärmenetz abzukoppeln, muss eine Versorgung mit erneuerbarer Wärme erfolgen. Damit bleiben folgende Optionen:
Luft-Wärmepumpe
Außenluft ist eine günstig zu erschließende Quelle für Wärmepumpen. Ein Nachteil von Luft-Wärmepumpen ist, dass die Quelltemperatur saisonal so schwankt, dass sie im Sommer die höchste Effizienz zum Heizen und im Winter die höchste Effizienz zum Kühlen haben. Insgesamt liegt jedoch selbst im kältesten Winter die Effizienz einer Luft-Wärmepumpe (bezogen auf den Stromverbrauch) bei deutlich über 100 % und damit uneinholbar vor jeder Art von Verbrennung oder Strom-Direktheizungen. Mit Luft-Wärmepumpen lassen sich sowohl Einzelgebäude als auch ganze Wärmenetze versorgen.
Erdwärme
Zur Gewinnung von Erdwärme gibt es zwei Ansätze: Senkrechte Bohrungen für Geothermiesonden sowie horizontale Flächenkollektoren. Beide Varianten können für die Heizung genutzt werden und im Sommer zusätzlich fast ohne zusätzliche Kosten kühlen. Geothermiesonden müssen (wegen Lage im Trinkwasserschutzgebiet Zone III) genehmigt werden und es wurde bereits angekündigt, dass es im Baugebiet keine Genehmigung geben wird. Horizontale Kollektoren dagegen sind genehmigungsfrei und wenn ohnehin ein Bagger vor der Tür steht, sehr billig zu bauen. Durch Erdwärme lassen sich sowohl Einzelgebäude als auch ganze Wärmenetze versorgen. (Im Zone I und II des Schutzgebietes wäre Erdwärme ausgeschlossen, nur bei Erschließung eines Grundwasserleiters müsste laut dem „Leitfaden Erdwärmenutzung in Niedersachsen“ eine Genehmigung eingeholt werden.)
Sonnenstrahlung
Um auch im Winter komplett mit solarer Wärme zu heizen, muss diese entweder mit einem großen Speicher lange vorgehalten werden und/oder mit einer Wärmepumpe nachträglich auf Temperatur gebracht werden. Diese Lösungen sind technisch möglich, es gibt aber in Deutschland kein etabliertes Standardverfahren, das man überall bestellen könnte. Die einzige Variante, die ich „von der Stange“ entdeckt habe, funktioniert über sogenannte „Eisspeicher“.
Verbrennung von Biomasse
Verbrennung von Biomasse sehe ich persönlich nicht als Option für den Neubau. Wartungsaufwand und Platzbedarf (u.a. für einen Schornstein) sprechen dagegen. Für Sanierungen, wenn hohe Temperaturen gebraucht werden und ohnehin ein Schornstein vorhanden ist, können Pelletheizungen eine sinnvolle Wahl sein.
Anschluss an das Wärmenetz
Auch wenn die Abnahme von Wärme nicht vorgeschrieben ist, kann ein entsprechender Anschluss natürlich genutzt werden. Hier ist natürlich auch der Wärmepreis entscheidend. Hier ist nun der zweite Punkt relevant, der mich stutzig gemacht hat: Das ursprüngliche Geschäftsmodell des Wärmenetzes war vor allem auf Profite aus Stromverkauf ausgelegt. Es sah vor, gezielt dann Strom zu erzeugen, wenn er teuer ist.
Wie mal an der Grafik erahnen kann, ist es auch ökologisch sinnvoll, ein BHKW so zu betreiben: Wenn Strom teuer ist, ist er auch besonders dreckig. Reicht der Wärmespeicher für einen Tag aus, liefert so ein BHKW mit bei Nutzung von konventionellem Erdgas zu 75 % der Zeit sauberere Wärme als eine Luft-Wärmepumpe (ohne Ökostrom). Wenn der Windkraft im Vergleich zu heute verdoppelt wäre, würde dieses Verhältnis kippen. Dann müsse ein noch größerer Wärmespeicher oder eine andere Wärmequelle her. (Die Argumentation ist in einem wissenschaftlichen Fachartikel über lokale Energiemärke – auf englisch – nachvollziehbar. Transparenzhinweis: Der verlinkte Teil über die Rolle von BHKW stammt von mir.)
Für dieses Geschäftsmodell braucht es also einen großen Wärmespeicher. Dieser soll nun aber nach Medienberichten nicht kommen. (Warum sich die Gemeinde an den Vertrag gebunden wäre, wenn das angebotene Konzept gar nicht umgesetzt werden sollte, erschließt sich mir nicht.) Wenn Gas weniger zur Stromerzeugung sondern ganz traditionell vor allem zum Heizen verbrannt wird, frage ich mich, wie der Wärmepreis mittelfristig konkurrenzfähig günstig gehalten werden kann.