An der aktuellen Debatte um die Beschneidung nach jüdischer und muslimischer Tradition gibt es einen Punkt, der mich ganz gewaltig stört: Ständig wird die Religionsfreiheit der Eltern gegen die körperliche Unversehrtheit des Jungen abgewogen. Vor allem Beschneidungsgegner werfen den Befürwortern vor, sich nicht in die Lage des Kindes zu versetzen. Dabei machen sie den selben Fehler: Keine Rolle scheint die (spätere) Religiosität der Beschnittenen zu spielen.
Zu beiden Religionen gehört nämlich nicht nur, seine Nachkommen zu beschneiden, sondern auch selbst (seit der Kindheit) beschnitten zu sein. Gehen die Eltern also davon aus, dass ihr Kind einmal die selbe Religion annehmen wird, wie sie selbst, handeln sie eindeutig im Sinne des Kindes. Man könnte sogar noch weiter gehen: Nimmt man die früh entfernte Vorhaut als integralen Bestandteil einer Religion an, so hätten die Sorgeberechtigten die Religionsfreiheit ihres Sohnes durch unterlassene Beschneidung verletzt, denn diesem ist es nun verwehrt, ein „guter“ Jude oder Moslem zu werden.
https://twitter.com/sixtus/status/226039970094256129
Geprägt ist die Diskussion also von einem verfallenden Verständnis für Religion an sich. Ganz unbewusst geht man vielleicht sogar davon aus, dass jüngere Menschen ohnehin Agnostiker oder gar Atheisten werden, denen – überspitzt formuliert – ihre Vorhaut mehr wert ist als ihre Seele. Um einen Bezug zum in diesen Breiten wohl etwas geläufigeren christlichen Riten herzustellen: Eigentlich sollte zunächst die Frage beantwortet werden, ob es sich bei der Beschneidung von Jungen um eine Tradition (wie Fisch am Freitag) handelt, oder ob sie auf einer Stufe mit einem Sakrament (Taufe, Abendmahl, …) steht. Eine sekuläre Diskussion über ein religiöses Thema wird kaum zu einer Lösung führen.
Petition gegen Beschneidung
20. Juli 2012
Text der Petition
Der Deutsche Bundestag möge beschließen, Personensorgeberechtigten jede rituelle, medizinisch nicht indizierte Beschneidung eines Jungen (Zirkumzision) oder eines Mädchens (nach der Typisierung der World Health Organisation die FGM vom Typ I, II, III, IV) im Hinblick auf die Verwirklichung der körperlichen Unversehrtheit des Kindes oder Jugendlichen bis zu dessen Volljährigkeit zu untersagen. Um dem Individuum die Option auf ein Leben mit unversehrten Genitalien und mit der Option auf eine selbstgeschriebene Biographie zu ermöglichen, insbesondere im Hinblick auf die Entscheidung, ob eine lebenslange Sexualität mit oder ohne Präputium (Junge) oder Klitorisvorhaut (Mädchen) verwirklicht wird, möge der Bundestag beschließen, in das Bürgerliche Gesetzbuch Buch 4 Familienrecht Abschnitt 2 Verwandtschaft Titel 5 Elterliche Fürsorge § 1631 Inhalt und Grenzen der Personensorge einzufügen:
§ 1631d
Verbot der rituellen Genitalmutilation
Die Eltern können nicht in eine rituelle, medizinisch nicht indizierte Beschneidung ihres Sohnes (Zirkumzision) oder ihrer Tochter (nach der Typisierung der World Health Organisation die FGM vom Typ I, II, III, IV) einwilligen. Auch das Kind selbst kann nicht in die Beschneidung einwilligen. § 1909 findet keine Anwendung.
http://eifelginster.wordpress.com/2012/07/21/297/