Games sind sexistisch!
Wo ist das Problem?

Aktuell schwappt (mal wieder) eine Sexismusdebatte um Videospiele durch das Internet. Diese gipfelt aktuell in Morddrohungen gegen die Feministin Anita Sarkeesien, die Sexismus in Videospielen kritisiert. Als intelligenter Computerspieler sollte man anerkennen, dass sie wahre Punkte anspricht. Wer die Filme auf Feminist Frequency als Beiträge gegen Videospiele ansieht, hat ohnehin einiges nicht verstanden. Einzig Vollblut-Sexisten dürfen sich kritisiert führen.

Sexismus ist in unserer Gesellschaft ein ernsthaftes Problem. Kein Problem allerdings ist, dass er in Videospielen auftaucht. Ich hatte gehofft, dass wir das in mehr als zehn Jahren Killerspieldebatte gelernt hätten. Wer würde ernsthaft bestreiten, dass es in Videospielen Gewalt gibt? Freunde virtueller Gewalt relativieren manchmal, wenn es um dargestellte Grausamkeit geht.

Virtuelle Gewalt ist OK, weil wir verinnerlicht haben, dass reale Gewalt es nicht ist. Wir sehen den Krieg – und wollen, dass er auf der anderen Seite des Bildschirms bleibt. Bei Sexismus ist es vielleicht nicht so einfach. Jeder ist nun mal ein bisschen sexistisch (oder so ähnlich). Und da dürfte es durchaus helfen, sich auch über Vorurteile in Videospielen bewusst zu werden. Problematisch ist, wenn wir Dinge als gegeben hinnehmen, sie nicht hinterfragen. Denn dann verfestigen sie womöglich unser Weltbild – samt aller damit verbundenen Probleme.

In diesem Sinne: Sexismus in Videospielen ist OK – solange er auf der anderen Seite des Bildschirms bleibt.

Strafrecht und Überwachung aus Sicht des Datenanalytikers

Heute war die meine letzte Prüfung, im Rahmen meines Diplomstudiums: Es ging um Statistik und computergestützte Datenanalyse. Dabei ist mir spontan die Idee gekommen, die strafrechtliche Unschuldsvermutung als analog zu einem Bayes’schen Prior zu bezeichnen, der aufgrund einer Sicht auf die Gesellschaft angenommen werden soll. (Ja, ich mache in mündlichen Physik-Prüfungen Randbemerkungen zu sozialen und politischen Themen. Die Beispiele fallen mir halt ein und ehe ich nichts sage und planlos wirke, nehme ich lieber fachfremde Beispiele…)

Der Prüfer fand es nicht unbedingt super, quittierte meinen Exkurs mit einem „Im Strafrecht ist Bayes’sche Statistik untersagt“. Aussagen wollte ich, dass man die Unschuldsvermutung auf eine positive Weltsicht zurückführen könnte, in der jemand höchstwahrscheinlich keine Straftaten begeht. Erst, wenn kein Zweifel besteht, ist insgesamt die Irrtumswahrscheinlichkeit der Ermittler geringer als die Gesamtwahrscheinlichkeit, dass man den Täter hat. Dann wäre sie eben so ein Prior. Anderes Beispiel (mit erfundenen Zahlen, aber ähnlich der Vorlesung): Eine Krebsvorsorge erkennt eine bestehende Erkrankung mit 90%iger Wahrscheinlichkeit, doch in 5% der Fälle gibt es ein „positives“ Ergebnis, obwohl der Patient keinen Krebs hat. Angenommen, man kann sich sehr sicher sein, keinen Krebs zu haben, dann sollte man lieber keinen Test machen: Die Wahrscheinlichkeit, dass man durch den Test verunsichert wird ist deutlich größer als die, dass einem der Test hilft.

Aufbauend auf diesem Gedanken gibt es in der Klassifizierung zwei abgeleitete Größen: Die Reinheit und die Effizienz. Zwischen beiden Größen muss man abwägen, beides gleichzeitig geht nicht. Die Reinheit gibt an, wie viele Fehleinschätzungen sich in der Gruppe der positiv klassifizierten befinden. (An dieser Stelle bin ich in der Prüfung wieder auf Teilchenidentifikation umgeschwenkt.) In unserem Strafrechtsbeispiel gibt die Reinheit also an, wie viele Gefängnisinsassen tatsächlich Straftaten begangen haben. Die Effizienz ist die entgegengesetzte Größe, sozusagen die Aufklärungsqote. Der Rechtsstaat ist im Bild des Datenanalytikers bemüht, bei der Klassifikation von Verbrechern eine große Reinheit zu erzielen.

Effizienz-Reinheit-Plot (Purity-Efficiency-Plot)
Effizienz-Reinheit-Plot. Möglich sind nur Kombinationen auf der grauen Linie (oder schlechtere), mehr Infos zu Purity-Efficiency-Plots z.B. auf dieser Seite über Klassifikation mit neuronalen Netzen.

Das ändert sich beim Präventionsstaat: Wer Verbrechen verhindern will, auch wenn es sich nur um eine bestimmte Klasse handelt, muss notgedrungen mehr Effizienz wählen, die Reinheit leidet. Vor eben dieser Fragestellung stehen wir momentan gesellschaftlich: Wollen wir Verbrechen verhindern, indem wir in großen Datenbergen Indizien sammeln? Das kann funktionieren. Doch selbst wenn jeglicher Missbrauch ausgeschlossen werden kann, bleibt es eine Entscheidung hin zu mehr Fehlverurteilung: Auch wenn man nichts zu verbergen hat, kann man fälschlicherweise für einen Terroristen gehalten werden. Somit steht nicht nur Freiheit gegen Sicherheit, sondern in Wirklichkeit auch Sicherheit vor Terrorismus gegen Sicherheit vor staatlichen Fehlentscheidungen.

Wir sind auch analog dement!

Was uns als Medienkompetenz, Lernen am Buch und Hand-Abschriften verkauft wird, bringt tatsächlich uns und unsere Kinder um den Verstand. Eine (Fast-) Replika eines Textes von Manfred Spitzer[1].

Schriftliche Medien machen süchtig und rauben uns den Schlaf. Sie schaden dem Gedächtnis, nehmen uns geistige Arbeit ab und sind deswegen zur Förderung des Lernens im Bildungsbereich grundsätzlich ungeeignet: Wer etwas aufschreibt, braucht es sich schließlich nicht mehr zu merken. Im Hinblick auf unseren Geist und unseren Umgang miteinander haben sie keine positiven Wirkungen, sondern vielmehr zahlreiche Nebenwirkungen: In Texten wird mehr gelogen und betrogen als in der realen Welt. Wer sich die schriftliche Welt durch Lesen erschließt, kann deutlich schlechter (weil deutlich langsamer) über sie nachdenken als diejenigen, die die reale Welt be-greifen[2]. Und wer gelernte Sachverhalte in einer realen Gruppe diskutiert, behält sie besser als jener, der mit anderen darüber Briefe schreibt.

Schriftstücke beeinträchtigen das Sozialverhalten und fördern Ängste und Depressionen
Trotz vielfacher gegenteiliger Behauptungen beeinträchtigt die Nutzung von Texten in der Regel die gezielte Informationssuche und die Selbstkontrolle. Mangelnde Gehirnbildung, vor allem in für Kognition und soziale Funktionen zuständigen Bereichen, führen zu Aufmerksamkeitsstörungen und gesteigerter Depressivität. Die Nutzung schriftlicher Medien in der Grundschule entspricht damit – auf Grund der im Kindesalter besonders großen Formbarkeit des Gehirns – dem Anfixen junger Menschen mit einer gefährlichen Suchtdroge. In England beispielsweise, dem Land mit der höchsten Dichte von schriftlichen Medien in Schulen, waren nach Angaben des dortigen Bildungsministeriums bereits im Jahr 2010 zwölf Prozent aller Schüler lesesüchtig.

Hinzu kommen ganz einfache Lerneffekte durch permanente „Berieselung“ mit bestimmten Inhalten
Sex in den Medien führt zu früherem Sex bei Jugendlichen, Action-Romane animieren zu risikoreicherem Kutschefahren, Alkoholszenen in Kurzgeschichten zu mehr Alkoholkonsum. Werthers Leiden erhöhten die Selbstmordrate.[3] Angesichts all dieser vielfach wissenschaftlich nachgewiesenen negativen Auswirkungen schriftlicher Medien auf Geist und Körper junger Menschen stellt sich die Frage: Warum wollen wir nicht sehen, was täglich vor unseren Augen geschieht? (…)

  1. [1]Original erschienen auf der Webseite eines montäglich erscheinenden Magazins. Um die Leistung des Verlags zu schützen, werde ich nicht darauf verlinken. Da der Unsinn mit dem Leistungsschutzrecht sich als Verlustgeschäft für Verlage herausgestellt hat, jetzt doch ein Link.
  2. [2]Zusammengefasst: Man kann aus Texten nichts lernen. Aber auch gar nichts!
  3. [3]Zusammengefasst: Man lernt aus Texten nur schlechtes.

Ungläubig mit der Vorhaut schütteln

An der aktuellen Debatte um die Beschneidung nach jüdischer und muslimischer Tradition gibt es einen Punkt, der mich ganz gewaltig stört: Ständig wird die Religionsfreiheit der Eltern gegen die körperliche Unversehrtheit des Jungen abgewogen. Vor allem Beschneidungsgegner werfen den Befürwortern vor, sich nicht in die Lage des Kindes zu versetzen. Dabei machen sie den selben Fehler: Keine Rolle scheint die (spätere) Religiosität der Beschnittenen zu spielen. Ungläubig mit der Vorhaut schütteln weiterlesen

Warum Wahlen Wetten sind

Angesichts der vielen Wahlen, die momentan auf uns zukommen, ist mir ein Gedanke gekommen: Im Grunde sind Wahlen wetten. Es gibt eine große Auswahl an Kandidaten und als Wähler kann man seinen Tipp abgeben, welcher davon wohl nach der Wahl am ehesten das tun wird, was man sich von der Politik wünscht. Allein, weil in den folgenden Jahren Entscheidungen anstehen, die nicht vorherzusehen waren, kann man es nicht vorher wissen. Der Wahlschein ist ein Wettschein, man muss schätzen.

Welche möglichen Handlungsmuster ergeben sich also für einen Wähler? Entweder man richtet sich nach den Wohlprogrammen und hofft, dass die Versprechen eingelöst werden, oder man wählt basierend auf dem, was die Kandidaten vorher gemacht haben. Oder man mischt beides zu beliebigen Anteilen. Aber auch Nichtwählen kann eine rationale Entscheidung sein: Wenn man sich selbst die Entscheidung nicht zutraut, aber glaubt, dass die anderen „richtig“ wählen werden. Das kann passieren, wenn Politiker sich nicht oder nur sehr schwer einschätzen lassen. Wenn schon vor der Wahl erst das eine und dann das andere gefordert wird und auch die Versprechen aus dem Wahlkampf höchstwahrscheinlich Lügen oder sonst wie unerfüllbar sind. Warum Wahlen Wetten sind weiterlesen

Frauenquote und penislose Herren

Es begann wohl mit den Piraten, die mit vierzehn Männern und einer Frau in das Berliner Parlament einzogen. Auf die Frage nach dem Recht unausgewogenen Verhältnis antworten die Abgeordneten sinngemäß, man solle Menschen nicht auf ihr Geschlechtsteil reduzieren, die Piraten seien darüber im Übrigen hinaus – Dem „Post-Gender“-Ansatz gehöre die Zukunft.

Aber allerspätestens seit der Übereinkunft der Bundesfrauenministerin mit den Daxunternehmen, statt einer Frauenquote auf eine freiwillige Übereinkunft zu setzen, ist das Thema wieder mal in aller Munde (oder zumindest auch in konservativen Kreisen angelangt). Irgendwie bietet es sich ja auch an. Im Gegensatz zur Finanzkrise weiß hier jeder zumindest im Ansatz, worum es geht. Es gibt keine Unklarheit, ob nun Banken, Griechenland, der Euro, Europa oder die westliche Kultur „gerettet“ werden sollen. Es geht um die Machtverteilung zwischen Männern und Frauen.

Das Thema hat schon den Vorteil, dass fast jeden von uns einer dieser beiden Gruppen angehört und somit zumindest einen gewissen Bezug zur eigenen Lebenswirklichkeit herstellen kann. Aber das ist auch ein Nachteil: Weil jeder sich irgendwo betroffen fühlt, wird die Diskussion oft zu sehr aus der eigenen Perspektive geführt – so zumindets die Vorwürfe. Zum Beispiel schiebt Julia Schramm in einem Artikel auf Telepolis die „Beißreflexe“ einiger Nerds, wenn sie das Wort Feminismus hören, auf deren persönlichen (negativen) Erfahrungen mit dem weiblichen Geschlecht. Aber zumindest ist vordergründig klar, worum es geht, und es kann jeder wenigstens irgendetwas mit dem Thema anfangen.

Frau Schröder möchte also am liebsten nichts machen, außer ihre Kritiker mit einer folgenlosen Absichtserklärung und unkonkreten Forderungen ruhig stellen. Das andere Extrem leben uns seit ihrem Bestehen die Grünen vor. Dort muss auf Gedeih und Verderb genau jede zweite Person eine Gebärmutter haben. Dass das allein nichts bringt, merkt man unter anderem an Frau Merkel [1]. Die hat zwar keinen Penis, regiert aber trotzdem exakt so, wie man es auch von einem Mann erwarten würde. Natürlich, der bunte Blazer zwischen all den Anzügen fällt schon auf, aber um solche Oberflächlichkeiten geht es hoffentlich nicht.

Hier offenbart sich das Dilemma: Hintergründig ist dann doch nicht klar, was es nun mit der Quote auf sich hat. Oft – nicht nur in Vorstandsetagen – ergeben sich Probleme und Unannehmlichkeiten durch einen unausgewogenen Anteil. So fiele es Männern sicherlich einfacher, „intime Produkte“ bei einem Geschlechtsgenossen zu erwerben – in der Apotheke wie im Drogeriemarkt arbeiten aber leider fast nur Frauen. Es gibt angeblich sogar viele Paare, in denen sich die Frau nur aus diesem Grund um die Verhütung kümmernt. (Hier wäre zum Wohle der Volksgesundheit vielleicht eine Männerquote angemessen…)

Ganz offenbar verhalten sich Frauen und Männer in gewissem Maße verschieden, werden unterschiedlich behandelt und reagieren entsprechend. Das Problem der zugeschriebenen und eingenommenen Rollen vor allem in Bezug auf die Gender ist seit langem bekannt. Der Anteil beider Geschlechter in unterschiedlichen Beschäftigungsfeldern ist also ganz offensichtlich auch ein Barometer für diesen Umstand. Da stellt sich dann auch die Frage: Wird das Klima besser, wenn man das Barometer auf einen bestimmten Wert festnagelt? Oder züchten wir uns damit nur eine Führungsriege aus penislosen Herren? Muss man momentan mental Mann sein, um in einer leitenden Position zu bestehen, so könnte das durchaus passieren…

  1. [1]Ich hätte auch Beispiele bei den Grünen bringen können, aber so bleibt es hoffentlich für einen größeren Personenkreis nachvollziehbar.

Sony und der gläserne Gamer

Vor über zwei Wochen wurden Sony die Daten von rund 77 Millionen Kunden gestohlen, um weiteren Schaden zu vermeiden wurde das PlayStation Network kurzerhand vom Netz getrennt. Die Abschaltung bemerkten die Kunden sofort: Sie konnten unter anderem online erworbene Medien nicht mehr nutzen. Den Grund, das Datenleck, gab Sony erst eine Woche später zu. Und man gelobte Besserung: Man wollte einen Sicherheitschef einstellen. Den Kunden wurde als Entschädigung ein Monat PlayStation-Plus-Service geschenkt. Jetzt, kurz vor dem geplanten Neustart des Netzwerks, musste Sony den Verlust weiterer Kundendaten zugeben: Betroffen sind knapp 25 Millionen PC-Accounts von Sony Online Entertainment-Spielen. Die SOE-Systeme wurden gestern heruntergefahren. Insgesamt sind also etwa 100 Millionen Datensätze entwendet worden.

Bei den entwendeten Daten handelt es sich laut Gamestar um Namen, Geburtsdaten, Adressen, E-Mail-Adressen sowie zum Teil Konto- und Kreditkarteninformationen der Benutzer. Die Digitale Gesellschaft fordert als Reaktion hierauf harte Strafen bei Datenlecks: Kunden sollen Recht auf Sammelklage bekommen und Konzerne das Risiko ihrer „Datenschutzschlampereien“ selbst tragen. Berechtigte Forderungen.

Doch zwei Fragen wurde bisher noch nicht gestellt: Wofür braucht Sony die ganzen Daten? Und: Warum geben die Nutzer sie her? Datensammelei ist in: Vorratsdatenspeicherung, Volkszählung, Facebook, PayBack, Google, jeder sammelt, je mehr, desto besser. Wissen ist Macht. Und selbst wenn es sich die Datenhalde doch als unnützes Wissen herausstellen sollte, stört es nicht weiter. Daten sind billig und Datensammelei stört kaum jemanden; die Nutzer können es gar nicht abwarten, ihre Daten los zu werden: Hier ne Kundenkarte, da ein Probeabo, dort ein „Like“. Aus Bequemlichkeit werden die Kreditkartendaten online gespeichert. Man könnte fast sagen: Es musste so kommen. Da rieseln sie nun, die Kundendaten. Die Kontrolle ist verloren. Und ändern will eigentlich auch niemand etwas: Sony hätte besser aufpassen sollen, stellt nun einen neuen Aufpasser für den Datenberg ein. Noch heißt es also: Weiter so!

User geben ihre Daten bereitwillig her

Die Forderungen nach härteren Strafen für Datenlecks, nach leichter zu erreichendem Schadensersatz, mögen nach Rache klingen, nach blutiger Vergeltung. Doch sie könnten ein Weg sein, Skandale wie diesen in Zukunft im Vornherein zu vermeiden. Die Industrie reicht den eigenen Kunden den verbotenen Apfel: Wer die Hosen nicht runter lässt, darf nicht mitspielen. Wenn die Vertreibung des Nutzers aus dem Paradies Privatsphäre die Konzerne plötzlich etwas kostet, könnte deren Wissbegierde in Zukunft abnehmen. Wofür muss Sony überhaupt wissen, wo ich wohne?

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) möchte zu diesem Zweck ein Datenschutz-Siegel einführen. Laut Heise meint sie, die Unternehmen würden mehr auf Datenschutz und -sicherheit achten, wenn sie durch eine Herabstufung beim Datenschutzsiegel massive Einbußen bei den Kundenzahlen und beim Renommee fürchten müssen. Malte Spitz (Grüne) fordert auf Twitter eine grundsätzliche Abkehr von der Datenanhäufung. Doch das ist nur zu erreichen, wenn das Durchleuchten der Kunden einen merklichen wirtschaftlichen Schaden erzeugt. Sei es durch hohe Strafen bei (unvermeidlichen) Datenlecks, sei es durch fernbleibende Kunden.

Solange es keine Regelung gibt, die unnötige Datenhalden bestraft, muss sich der Nutzer selber genau eine Frage stellen: Warum muss ich meine Daten überall eintragen? Vielleicht kann der Datenskandal hier zu einem Umdenken führen. Wenn wir aber nur auf Sony zeigen und unsere Daten weiter fröhlich in Die Welt blasen, wird sich nichts ändern. In diesem Sinne sind wir auch alle ein bisschen selber Schuld.

Der Untergang der Bürgertums?

Der 27. März 2011 war ein historischer Tag. Das sogenannte „Bürgerliche Lager“ musste in Baden-Württemberg zum ersten Mal seit Jahrzehnten eine echte Wahlniederlage einstecken. Ausgerechnet die Grünen, der von Schwarzgelb am schärfsten attackierte politische Gegner, fährt einen überwältigenden Sieg ein und wird künftig sogar den Ministerpräsidenten stellen.

Wird das Ländle jetzt sozialistisch, wie es unter anderem der CDU-Fraktionsvorsitzende Hauk an die Wand malte? Eher nicht. In Wahrheit scheint die Bevölkerung genau so konservativ geblieben zu sein, wie sie es schon seit mindestens 58 Jahren war. Auch wenn die Energiepolitik einen entscheidenden Einfluss auf diesen Wechsel hatte, reicht sie als Erklärung nicht aus: Schon vor dem Reaktorunglück in Fukushima konnten die Grünen in Umfragen Rekordwerte vorweisen. Vor allem viele frühere Nichtwähler haben aus deisem Grund ihr Kreuz bei den Grünen gemacht, doch bestand wohl kein Mobilisierungsproblem unter den (Ex-) CDU-Stammwählern. Die Wahrheit lautet: Die Grünen sind (zumindest in Baden-Württemberg) keine linke Partei mehr. Der künftige Ministerpräsident, der überzeugte Katholik Kretschmann, konnte viele Bürgerliche für sich mobilisieren. Vielleicht sind die Grünen sogar zur neuen „Mitte“ geworden. Diesen Titel hatten die Union bisher für sich beansprucht, zum Teil trotz populistischer Ausflüge, die man eher rechtsaußen eingeordnet hätte.

Bei Tageslicht betrachtet fällt weiter auf: Die Christdemokraten haben ihre Regierungsmehrheit vor allem durch das schlechte Abschneiden der FDP verloren. Fast wäre sie überhaupt nicht in den Landtag eingezogen. Auch die FDP hat an die Grünen verloren. Das überrascht wenig, verpassten es die Liberalen doch, an ihre Tradition als Bürgerrechtspartei anzuknüpfen. Seit Jahren steht der Wirtschaftsliberalismus im Vordergrund. Diese Vernachlässigung des einstigen Kernthemas hat sogar eine neue Partei auf den Plan gerufen, die seit einigen Jahren trotz geringstem Wahlkampfbudget und wenig politischer Erfahrung Wahl für Wahl Achtungserfolge einfahren kann: Die Piraten. (Sie sammelten z.B. im Südwesten Stimmen in der selben Größenordnung wie DieLinke.)

Und obwohl konservative Wähler den politischen Graben zwischen der CDU und Grünen übersprungen haben, und Schwarz-Grün laut Heiner Geißler (CDU) „politisch wie auch inhaltlich […] genauso möglich [sei] wie eine Koalition mit der FDP“, läuft alles auf Grün-Rot hinaus. Denn selbst die neuen, konservativen Grünen können nach der Laufzeitverlängerung und Stuttgart21 nicht mit der Union koalieren. Wenn man so will, wurde also die Wahl des Ministerpräsidenten schon im letzten Herbst entschieden, als sich die CDU ins koalitionspolitische Abseits spielte.

Fortsetzungsgeschichte:
„In den Fängen des Terrors“

Ich habe mich entscheiden, eine Geschichte, die mir schon länger im Kopf herum spukt, Stück für Stück – wie ich sie schreibe – hier im Blog als Fortsetzungsgeschichte zu veröffentlichen. Diese Serie darf durchaus als Experiment gesehen werden – schließlich ist nicht ganz klar, ob am Ende noch alles zusammenpasst: Durch den Veröffentlichungsmodus werde ich in der Lage sein, tagesaktuelle Geschehnisse in meine Fiktion einzubinden. Und das möchte ich auch tun, sobald der Grundstein zur Geschichte gelegt ist.

Erste Skizzen zur Geschichte existieren schon seit einigen Jahren, dennoch hat sie (leider) nichts an den Umständen geändert, die mich auf die Idee zu dieser Geschichte gebracht haben, somit ist auch der Grundstein zur Geschichte durchaus als tagesaktuell zu sehen. Auf Titel ist mir für meine mittlerweile recht weitläufige Gedankenwelt wollte ich mich bisher nicht festlegen. Ursprünglich habe ich etwas schlichtes bevorzugt; dass ich jetzt etwas mehr Pathos in die Überschrift lege, hat auch mit der gewählten Veröffentlichungsform zu tun: Das Überthema soll immer greifbar bleiben, auch wenn es hier und da Seitenhiebe auf die Tagespolitik geben wird.

Den ersten Teil der Geschichte werde ich in den kommenden Tagen veröffentlichen. Ich hoffe, dass er seine Leser finden wird.

Nähere Betrachtung

Nachdem nun mehrfach in Kommentaren unterstrichen wurde, dass gleiche Gewichtung der Wähler zentrale Rolle in der Demokratie spiele, bin ich auf die Idee gekommen, dass soziale Grundsicherung als eine Art Kompensation für die ungleichmäßige Stimmverteilung angesehen werden könnte. Nach längerer Überlegung sind mir noch weitere Mechanismen aufgefallen, die ähnliche Effekte haben. So besitzen wir ein progressives Steuersystem, das besser Verdienende nicht nur absolut sondern auch prozentual gesehen stärker belastet. Ich werde nun in den folgenden Beiträgen jeweils verschiedene Formen der Kapitalumverteilung von Reich nach Arm (Weiß jemand ein besseres neutrales Wort?) untersuchen und feststellen, in wie fern sie die in meinem letzten Betrachtung aufgezeigten Verstöße gegen Wahlrechtsgrundsätze beseitigen und in wie fern sie neue Probleme aufwerfen.