Bundestagswahl 2013:
EGAL weiter stärkste Kraft

Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis repräsentiert die Fraktion der Nichtwähler „EGAL“ weiter die Mehrheit der Bevölkerung. Zu einer Regierungsbildung wird es allerdings vermutlich nicht kommen: Zusammen mit ihrem favorisierten Koalitionspartner, der Allianz aus „Nicht im Parlament“ und „Außerparlamentarischer Opposition“ (NIP/APO) verfehlen die Urnenverweigerer die absolute Mehrheit deutlich.

Ergebnisse der Bundestagswahl 2013
Ergebnisse der Bundestagswahl 2013

Vermutlich läuft es auf eine GROßE KOALITION aus CDU/CSU und SPD hinaus, die zusammen immerhin 50,8% der Bevölkerung repräsentieren. Aber auch eine Minderheitsregierung steht zur Diskussion.

PS: Gratulation an die Gewinner der Wahl. Ich finde es nur außerordentlich schade, dass deutlich über 15% der abgegebenen Stimmen keine Repräsentanz im Bundestag finden. Auch wenn natürlich eine hinreichend legitimierte außerparlamentarische Opposition zumindest ihre Meinung zu Protokoll geben und öffentlich Kund tun kann, wird es Leute geben, die dann beim nächsten Mal nicht zur Wahl gehen. Bitte denkt also über die Abschaffung der 5%-Hürde nach.

Warum Wahlen Wetten sind

Angesichts der vielen Wahlen, die momentan auf uns zukommen, ist mir ein Gedanke gekommen: Im Grunde sind Wahlen wetten. Es gibt eine große Auswahl an Kandidaten und als Wähler kann man seinen Tipp abgeben, welcher davon wohl nach der Wahl am ehesten das tun wird, was man sich von der Politik wünscht. Allein, weil in den folgenden Jahren Entscheidungen anstehen, die nicht vorherzusehen waren, kann man es nicht vorher wissen. Der Wahlschein ist ein Wettschein, man muss schätzen.

Welche möglichen Handlungsmuster ergeben sich also für einen Wähler? Entweder man richtet sich nach den Wohlprogrammen und hofft, dass die Versprechen eingelöst werden, oder man wählt basierend auf dem, was die Kandidaten vorher gemacht haben. Oder man mischt beides zu beliebigen Anteilen. Aber auch Nichtwählen kann eine rationale Entscheidung sein: Wenn man sich selbst die Entscheidung nicht zutraut, aber glaubt, dass die anderen „richtig“ wählen werden. Das kann passieren, wenn Politiker sich nicht oder nur sehr schwer einschätzen lassen. Wenn schon vor der Wahl erst das eine und dann das andere gefordert wird und auch die Versprechen aus dem Wahlkampf höchstwahrscheinlich Lügen oder sonst wie unerfüllbar sind. Warum Wahlen Wetten sind weiterlesen

Nähere Betrachtung

Nachdem nun mehrfach in Kommentaren unterstrichen wurde, dass gleiche Gewichtung der Wähler zentrale Rolle in der Demokratie spiele, bin ich auf die Idee gekommen, dass soziale Grundsicherung als eine Art Kompensation für die ungleichmäßige Stimmverteilung angesehen werden könnte. Nach längerer Überlegung sind mir noch weitere Mechanismen aufgefallen, die ähnliche Effekte haben. So besitzen wir ein progressives Steuersystem, das besser Verdienende nicht nur absolut sondern auch prozentual gesehen stärker belastet. Ich werde nun in den folgenden Beiträgen jeweils verschiedene Formen der Kapitalumverteilung von Reich nach Arm (Weiß jemand ein besseres neutrales Wort?) untersuchen und feststellen, in wie fern sie die in meinem letzten Betrachtung aufgezeigten Verstöße gegen Wahlrechtsgrundsätze beseitigen und in wie fern sie neue Probleme aufwerfen.

Kapitalismus ist Demokratie

Ich habe einen Stimmzettel (Banknote) in der Tasche, gehe in ein Wahllokal (Geschäft), dort entscheide ich mich für einen Repräsentanten (Produkt) und wähle eine Partei (Firma). Hier geht es also nicht um eine Utopie. Ich sage nicht, dass Kapitalismus demokratisch sein sollte, ich bemerke, dass es so ist.

Naja, ich Wirklichkeit ist das Ganze etwas komplizierter: Schon die Auswahl des Geschäftes ist eine Form von Abstimmung, denn es wird einen Teil meines Geldes für sich behalten. Außerdem habe ich nicht nur Erst- und Zweitstimme, sondern eine Vielzahl davon. Je mehr Geld man besitzt, um so mehr Stimmen hat man.

Und genau hier geht das Problem los: In der Wirtschaft kümmert sich keiner um Wahlrechtsgrundsätze. Für politische Wahlen hat die Verfassung einige Regeln vorgesehen, die beim Einkauf (natürlich?) nicht zur Anwendung kommen. Ich beziehe mich im Folgenden auf aktives Wahlrecht in Deutschland:

  • allgemein: Jeder Mensch darf sein Geld ausgeben. Hier geht die Wirtschaft über die Vorgabe der Politik hinaus: Auch Kinder und Staatsbürger anderer Staaten dürfen wählen.
  • unmittelbar: Man kauft nicht direkt beim Produzenten, sondern nach einer Anzahl von Zwischenhändlern. Das ist in diesem Fall aber kein größeres Problem, da man die Händler ebenfalls wählt. Die Komplexität setzt also voraus, dass nicht immer unmittelbar gewählt werden kann.
  • frei: Man darf kaufen, was man will. Das gilt so lange, wie ein erreichbaren Händler die gewünschte Wahre hält. Im Zeitalter von Versandhandel darf auch dieser Punkt als erfüllt angenommen werden.
  • gleich: Hier muss ich differenzieren: Jedes Geld ist gleich, also entscheidet es nicht, wer was kauft. Allerdings haben reiche Menschen mehr Stimmen als ärmere. Diese Situation erinnert mich an frühere Formen der Wahl von Volksvertretern, bei denen die Meinung von Reichen und Adeligen stärker gewichtet wurde. Hier hat die Kapitaldemokratie also eine klare Ungerechtigkeit zu verzeichnen.
  • geheim: Ich möchte hier nicht den Maßstab anlegen, der für politische Wahlen gilt: Es ist offensichtlich, dass ich nicht verstecken kann, welche Produkte ich nutze. Im privaten Bereich ist das vielleicht noch möglich, aber spätestens das eigene Auto kann man nicht vor Blicken schützen. Man kann aber mehr oder weniger anonym konsumieren und es bleibt auch meine Entscheidung, meine Erwerbungen verbunden mit meinem Namen in der Öffentlichkeit herum zu zeigen. Man sieht es einem Menschen nicht an, welche Frühstücksflocken er isst. Der Grundsatz der geheimen Wahl wird aber immer weiter versucht durch Kundenkarten zu unterwandern. Kundenkarten speichern massiv die Wahlentscheidungen des einzelnen Konsumenten und lassen sein Verhalten analysieren. Tante Emma konnte das noch nicht in dem Umfang – Tante Emma würde ich eher mit dem Wahlhelfer vergleichen, der bei zitternder Hand meinerseits das Kreuz für mich setzen darf.
  • öffentlich: Das Ergebnis der täglichen Wahl an der Kasse kann man höchstens indirekt durch Entwicklung ganzer Firmen und Börsenwerte ablesen. Ob aber nun die Bio-Konfitüre mit Kirschgeschmack oder die herkömmliche mit Erdbeeren das Rennen macht, erfährt nur der Produzent zuverlässig. Die Menge an Informationen wäre ohnehin nicht überschaubar und ich weiß nicht, ob sich bessere Daten bei Firmen erfragen lassen. Hier ein klares „Ich weiß es nicht.“, was aber den Verdacht nahe legt, dass es eher ein „nein“ ist, denn geheime Öffentlichkeit ist ein Paradoxon.

Ob wir es wollen, oder nicht: Jeder Einkauf beinhaltet politische Entscheidungen und ist eine Abstimmung. Leider unterscheiden sich die Standards bei dieser ständigen Wahl stark von denen bei den übrigen. Die Gewährung dieser Rechte sollte – so finde ich – Ziel eines auf den Menschen zentrierten Kapitalismus sein, denn ohne sie geraten wir in die absolute Diktatur der Konzerne.