Bürgergeld

Eine Möglichkeit, den Markt zu reparieren und gleichzeitig für soziale Gerechtigkeit zu sorgen, wäre, die Notwendigkeit zu Arbeiten abzuschaffen. Natürlich klingt dieser Vorschlag zunächst unglaublich, aber es geht hier nur um die absolute Lebensnotwendigkeit für den Einzelnen. Die Vorstellung, dass niemand mehr arbeiten braucht bleibt utopisch – oder je nach Betrachtungsstandpunkt dystropisch..

Eine Möglichkeit in diese Richtung wäre bedingungsloses Arbeitslosengeld, auch wenn man nicht nach Arbeit sucht. In den Augen vieler besteht dieser Zustand schon, doch das Bild von „asozialen Zecken“, die auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung leben, mutet doch arg rechtspopulistisch an. Außerdem fällt die Sozialhilfe weg, sobald man beginnt zu arbeiten. Es ergibt sich eine Situation, in der ein Mindestlohn durch die Hintertür eingeführt wird. Diesen habe ich bereits behandelt und werde daher hier nicht mehr auf diesen eingehen. Insgesamt kann die Sozialhilfe gar als asozial angesehen werden.

Eine weitere Möglichkeit wäre eine bedingungslose Zahlung an alle, auch die arbeitenden Menschen. Die Zahlung müsste hoch genug sein, um davon zu leben. Natürlich soll der Betrag keinen Luxus bieten, sodass ein Anreiz zu arbeiten besteht. Dadurch würde sich der Marktdefekt beheben lassen, jeder Mensch hätte eine grundlegende Existenzsicherung. Nehmen wir nun als Richtwert den Sozialhifesatz von monatlich rund 350€ pro Erwachsener, alleinstehender Person. Wenn jeder Deutsche (inklusive Kindern, das würde nebenbei den Anreiz Kinder zu bekommen erhöhen) bedingungslos eine solche Zahlung erhielte, wären das überschlagen im Jahr:

Kosten: 350€/Person/Monat * 12 Monate * 82.000.000 Deutsche = 344,4Mrd. €

Diese Summe klingt gewaltig, würde aber einige momentan geleistete Zahlungen des Staates ablösen. Zudem könnte für Kinder ein niedrigerer Satz (Kindergeld beträgt monatlich 150€) gewählt werden. Es würde natürlich das Arbeitslosengeld II (41Mrd.€) überflüssig, zudem würde wie bereits angedeutet das Kindergeld (35 Mrd.€) wegfallen, da dieses ohnehin viel geringer ist als der veranschlagte Satz von 350€. Des weiteren könnten zur Finanzierung dieser radikalen Maßnahme die Renten (235Mrd.€) und das Arbeitslosengeld I (50Mrd.€) gestrichen werden. An dieser Stelle möchte ich noch zu bedenken geben, dass einige Rentner sogar weniger als den Sozialhifesatz bekommen.

Finanzierung: 50Mrd.€ + 41Mrd.€ + 235Mrd.€ + 35 Mrd.€ = 361Mrd.€

(ALG1 + ALG2 + Rente + Kindergeld)

Insgesamt ergibt sich ein Betrag von 361Mrd.€, was mehr als genug ist. Weitere Leistungen, die (wie Bafög-Zahlungen, 1Mrd.€ Zuschüsse im Jahr) obsolet würden, sowie Einsparungen durch den Bürokratieabbau sind hier noch nicht mit eingerechnet. Positive Impulse für die Wirtschaft, wie sie durch Behebung des Marktdefektes zu erwarten wären, sind ebenfalls noch außen vor gelassen. Finanzierbar wäre diese Maßnahme also sogar bei extrem konservativer Recnung. Weiterhin könnten natürlich sogar sozial verträglich die Steuern erhöht werden, da das Grundeinkommen ohnehin gesichert ist. Aber diese Überlegungen gehen an dieser Stelle zu weit. Es ging mir vor allem darum, die Möglichkeit aufzuzeigen sowie die grundsätzliche Finanzierbarkeit darzulegen.

Der Arbeitsmarkt

In diesem Eintrag werde ich die prinzipiellen Probleme des Arbeitsmarktes analysieren, derer man sich selbstredend im Klaren sein sollte, wenn man versucht die Probleme des Arbeitsmarkes zu lösen. Dazu werde ich auf das Marktmodell nach Alfred Marshall und Léon Walras zurückgreifen, das ich nun zunächst erläutere.

Normales MarktdiagrammIn jedem Markt besteht ein Zusammenspiel aus Angebot und Nachfrage. Beide lassen sich verstehen als Zusammenhang, bei welchem Preis welche Menge Waren angeboten und nachgefragt wird. Als Waren werden hier sowohl Güter als auch Dienstleistungen betrachtet. Dabei nimmt man an, dass der Preis für mehr nachgefragte Waren sinken und für mehr angebotene Waren steigen muss. Dieser Zusammenhang ist auch nahe liegend: Kostet das neue Automobil weniger, werden wir eher geneigt sein, es zu kaufen; kostet es mehr, werden mehr Einheiten hergestellt werden, da die Produktion lohnender wird. Beide Überlegungen gelten natürlich auch umgekehrt.

Verändert sich Angebot oder Nachfrage, wird dieses im Graphen durch Verschieben der zugehörigen Kurve dargestellt. Der Punkt, an dem sich die Geraden schneiden, gibt letztlich die am Markt umgesetzte Menge und ihren Stückpreis an. Eine gute und tiefer gehende Erklärung zu Modell und Diagramm gibt es auf Wikipedia. Für meine Zwecke sollte diese kürzere Erklärung aber reichen. Dieses sehr idealisierte Verhalten tritt natürlich bei kaum einer Ware auf und auch die Voraussetzungen wie Polypole auf Angebots- und Nachfrageseite sind nicht immer gegeben. Doch diese Probleme des Modells sind nicht grundlegender Natur und das ideale Verhalten bleibt tendenziell in guter Näherung bestehen.

Auf dem Arbeitsmarkt hingegen ist Gegenteiliges der Fall: Die Zahl der Arbeitskräfte kann sich gar nicht nach ihrem Preis richten, liegt sie doch mit der Zahl der arbeitsfähigen Menschen von vornherein fest. Die Zahl der angebotenen Arbeitskräfte ist unabhängig vom Preis, den ihr Ausüben wert ist. Ist ihre Zahl größer als die Zahl der Menschen, die angemessen entlohnt würde, führt das unweigerlich zu geringeren Löhnen oder Arbeitslosigkeit. Schlimmer noch: Nehmen wir an, die Arbeitgeber wüssten von diesem Umstand; sie könnten beliebig tiefe Gehälter anbieten, es würde sich doch jemand finden, der dafür arbeitet. Weil es es nicht möglich ist die Zahl der angebotenen Arbeitskräfte zu reduzieren, ist ihr Preis beliebig.

Beispiele für das Überangebot von Arbeitskraft findet man in praktisch jeder Wirtschaftskrise. Auf der anderen Seite tritt das Problem auch auf, wenn zu viele Arbeitskräfte gebraucht werden. Ein Beleg für diese Situation ist die Zeit des Wirtschaftswunders, in der zusätzliche Arbeitskräfte ins Land geholt werden mussten.
Marktdiagramm für den ArbeitsmarktNoch gravierender wird das Bild, wenn man bedenkt, dass heute (zum Glück) nicht Arbeitskräfte sondern Arbeitskraft gehandelt wird: Ein jeder Mensch, der nur arbeitet, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, wird so wenig arbeiten wollen, wie es geht. Steigt sein Stundenlohn, also der Preis, den er für seine Arbeitskraft erzielt, wird er weniger arbeiten. Er wird ja trotzdem genug Geld für seinen Lebensunterhalt erhalten. Sinkt sein Stundenlohn, ist er dagegen gezwungen, mehr zu arbeiten. Es ergibt sich also eine Situation, in der bei steigender Nachfrage eine geringere Menge Arbeitskraft, bei fallender Nachfrage dagegen eine höhere Menge umgesetzt wird. Beide Effekte verstärken sich zudem, wodurch Knappheit weitere Knappheit und Überfluss weiteren Überfluss erzeugt.

Der Markt ohne jegliche Eingriffe ist also – wie man nun kaum noch abstreiten dürfte – kein adäquates Mittel, den Preis der Ware Arbeitskraft, den Stundenlohn, festzulegen.

Sozialhilfe und Lohnzuzahlungen

Wie Bomret in einem Kommentar bemerkt (und als unzureichend kritisiert) hat, ist eine weitere momentan gebräuchliche Methode zur sozialen Absicherung und zur Erhaltung der Lebens- und wirtschaftlich- sozialen Mitwirkungsgrundlagen das Aufstocken des Einkommens bestimmter Menschen, die ohne diese Maßnahme unter eine gewisse Untergrenze fallen. Er begründet – wie es bei Befürwortern des Mindestlohnes oft der Fall ist – durch die notwendige Zuzahlung des Staates den Mindestlohn, durch den eine Zuzahlung nicht mehr nötig wäre und eine Sozialisierung der Produktionskosten gestoppt werden könne.

Dieser Einwurf stellt allerdings auch die Frage nach dem Sinn und Unsinn von Lohnzuzahlungen und Sozialhilfe generell. Erstere scheint Arbeitgeber dazu zu bringen, weniger Gehalt zu zahlen, denn durch die staatliche Zuzahlung wird sich dennoch jemand für den Job finden. Hier entstehen zwei Probleme:

  1. Wie von Bomret angesprochen werden real existierende Produktionskosten eines Gutes auf die Gesellschaft abgewälzt. Der Arbeitgeber kann Leistung unter Wert erhalten und sich so bereichern. Hier werden Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert.
  2. Einem rein wirtschaftlich denkenden Arbeitnehmer ist es relativ egal, woher sein Geld stammt. Somit besteht für ihn kein Anreiz, einen Job anzunehmen, der weniger „gefördert“ werden muss. Nehmen wir an, dass die Arbeitgeber ehrlich sind und immer der Arbeit angemessenes Gehalt auszahlen, entsteht eine Schieflage zugunsten der Arbeit, welche der Gesellschaft weniger Wohlstandsgewinn bringt. Sollte (was ja nahe liegt, denn sonst würde der Arbeitgeber wohl mehr Geld dafür zu zahlen bereit sein) die weniger bezahlte Arbeit angenehmer zu erledigen sein, verstärkt sich dieser Effekt noch. Betrachtet man zusätzlich Arbeitslosengeld und Sozialhilfe, wird sie schließlich so gewaltig, dass es sich womöglich überhaupt nicht mehr lohnt, überhaupt zu arbeiten.

Die altliberale¹ bis rechtspopulistische Antwort auf das zweite Problem ist schnell erläutert: Man kürze Sozialleistungen so weit es geht, dann wird schon jeder einen noch so schlecht bezahlten Job nehmen. Arbeitslose sind ohnehin nur faul und müssen gezwungen werden zu arbeiten. Und wenn sie gut arbeiten, werden sie auch genug Geld bekommen, der heilige, unfehlbare Markt wird alles richten.

Doch so einfach ist es nicht. Wie schon in meinem letzten Beitrag erläutert, führt nicht ein mal Vollbeschäftigung zwangsläufig zu ausreichend hohen Löhnen. Sind also doch Mindestlöhne die Lösung aller Probleme? Durch diese würde doch der Anreiz zu arbeiten deutlich erhöht und die Konzentration des Kapitals erschwert. Leider nicht, denn neben den in meinem Artikel zum Mindestlohn bleibt auch die Schieflage zugunsten einfacherer Arbeit zum gleichen Geld bestehen. Durch den höheren Preis wird zwar hier die Nachfrage nach Arbeitskraft noch weiter zurück gehen als bei schwierigerer Arbeit, doch entweder Arbeit, deren Bezahlung zuvor knapp unterhalb des Mindestlohnes lag, wird deutlich höher als vorher entlohnt oder diese Stellen werden deutlich unbeliebter sein als noch mit niedrigerer Bezahlung. Dieses Problem (nicht jedoch alle im eigenständigen Artikel aufgeführten!) könnte freilich durch einen mit Augenmaß festgelegten, berufsspezifischen Mindestlohn umgangen werden, doch wer soll diese Entscheidung treffen? Dass planwirtschaftliche Ansätze mit Steuerung durch den Staat meist ineffizient sind, lässt sich wohl kaum bestreiten und eigenverantwortliche Verhandlungen (z.B. durch Arbeitgebervertreter und Gewerkschaften) samt Rechtsverbindlichkeit der Ergebnisse fallen in meinen Augen nicht unter den Begriff „Mindestlohn“. Wenn sie das doch tun, ist der Ruf nach einer Einführung ohnehin absurd, denn Tarifverträge gibt es schon lange und ihre Ausweitung dieser auf mehr oder gar alle Beschäftigungen verdient einen anderen Namen.

Es bleibt also die Situation, dass Lohnzuzahlungen und Sozialhilfe den Markt verzerren und Umverteilung des Kapitals von Arm nach Reich fördern. Mindestlohn kann einige dieser Probleme beheben, wirft aber neue auf. Eine komplette Abschaffung der sozialen Leistungen würde dagegen natürlich alle Probleme, die durch diese Maßnahmen hervorgerufen werden, aus der Welt schaffen, auf der anderen Seite aber zu starker sozialer Unsicherheit und Ungerechtigkeit, sowie unzumutbaren Verlustängsten und menschenunwürdiger Armut führen.

1) Viele würden es neoliberal nennen, aber das tut dem wirklichen Neoliberalismus (Mitte zwanzigstes Jahrhundert) Unrecht.

Vollbeschäftigung

Die liberale Wirtschaftswelt geht oftmals davon aus, dass bei genügend hoher Beschäftigungsquote die Löhne zwangsläufig hoch genug ausfallen, um gut davon zu leben. Um also den Güterstrom mit seinen Dollarstimmen (siehe Kaptitalismus ist Demokratie) an den für den Wohlstand dienlichsten Ort zu lenken. Dieser Grundgedanke an sich ist gar nicht so falsch: Wenn man das Gesetz von Angebot und Nachfrage zugrunde legt, steigt mit höherer Nachfrage und konstantem Angebot unweigerlich der Preis für die Ware Arbeit. Doch hier stellt sich sogleich die nächste Frage: Wie erreicht man eine erhöhte Nachfrage nach Arbeitskraft?

Die Faustformel der Wirtschaftsliberalen ist einfach: Mehr Wirtschaftswachstum führt zu mehr Arbeitsplätzen. Tendenziell mag diese Aussage zutreffen – zumindest insofern das Produktionsmittel Arbeit für dieses Wachstum zunehmend benötigt wird, allerdings kann Wirtschaftswachstum auch ganz banal über neue, bessere und mehr Maschinen, durch eine härter arbeitende Minderheit, durch Handel von Immaterialgütern, oder durch vieles anderes erzeugt werden. Zudem wird es in einer größer werdenden Wirtschaft zunehmend schwieriger hohe Wachstumsraten zu erzielen, sogar wenn diese ohne Rücksicht auf Nachhaltigkeit – durch Steuergeschenke, Umweltsünden und Ausbeutung – erreicht werden sollen. Das ein freier Markt nicht automatisch zu Vollbeschäftigung und somit zu ausreichenden Löhnen tendiert, legte z.B. der Ökonom John Maynard Keynes dar. In dieser Tradition wurde auch der Neoliberalismus begründet, der sich – entgegen weitläufiger Meinung auch seiner Kritiker – gegen die uneingeschränkte, freie Marktwirtschaft richtet und u.a. zur Entstehung der Sozialen Marktwirtschaft geführt hat.

Liberale Wirtschaftstheoretiker haben also schon lange herausgefunden, dass der Ansatz, einen möglichst freien Markt zu erzeugen, nicht fruchtet. Ebenso wurde gezeigt, dass kein noch so hohes Wirtschaftswachstum eine Vollbeschäftigung erzeugen kann. Alternative Ansätze wurden bisher kaum angepackt, und so verliert sich die liberale Wirtschaftspolitik in dem verzweifelten Versuch durch immer mehr und noch mehr Freiheiten für die Akteure am Markt und durch immer neue Geldspritzen die Wirtschaftskraft immer mehr zu erhöhen, um so der Hoffnung auf ein ausreichendes Einkommen für jeden genüge zu tun. Doch leider ist dieses Spiel vergebens und richtet teilweise irreparablen Schaden an.

Mindestlohn

Mindestlohn ist ein gesetzlich verordneter Minimallohn, der bei einem Beschäftigungsverhältnis mindestens bezahlt werden muss. Das Ziel dahinter, dass jeder von dem Geld, das er verdient, leben können und meiner Betrachtung nach auch am Markt mitbestimmen soll, ist wohl für jeden einsichtig und nachvollziehbar. Ob das Mittel, einen gesetzlichen Mindestlohn festzulegen aber sinnvoll gewählt ist, sogar ob er überhaupt diesen Zweck erfüllt, ist sehr umstritten.

Die Befürworter gehen davon aus, dass durch diese Maßnahme jeder, der unterhalb des Existenzminimums verdient, per Verordnung mehr Geld bekommt und künftig von seinem Geld leben kann. Mindestlohn gibt es in sehr vielen europäischen Staaten, werden Bedenken zerstreut. Doch es gibt auch Gründe, die gegen diese Vorstellung sprechen:

  • Für mehr Geld würden viele Menschen überhaupt gar nicht eingestellt. Wenn etwas teurer ist, leistet man sich weniger davon.
  • Wenn viele Menschen plötzlich mehr Geld verdienen, müssen ihre Arbeitgeber die Preise erhöhen, um sie zu bezahlen. Durch die größere Kaufkraft passiert das mittelfristig auch bei nicht durch den Mindestlohn betroffenen Betrieben. Die Folge ist eine verstärkte Inflation, an deren Ende das Minimalgehalt wieder unterhalb des Existenzminimums liegt. Mindestlohn wäre also wirkungslos und würde bei nicht erfolgender Lohnerhöhung bei anderen Arbeitnehmern mittelbar den Lebensstandard der Normalverdiener gefährden.

Die Praxis in anderen Staaten spricht auch nicht gegen diese Punkte, denn hier betrifft dieser im Gegensatz zum deutschen kaum jemanden. Somit lässt sich Mindestlohn als Kurzschluss sehen, der bei näherer Analyse kaum einen oder gar negative Effekte hätte.